Coronakrise: Wirtschaftliche Lage

Die Wirtschaftstätigkeit in Deutschland wird nach Einschätzung der OECD im laufenden Jahr deutlich einbrechen. Selbst im günstigen Single-Hit-Szenario, bei dem unterstellt wird, dass die Viruspandemie bis zum Sommer abklingt, sinkt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 6,6 Prozent. Im Double-Hit-Szenario, im dem für den Herbst eine zweite Ansteckungswelle unterstellt wird, und Schutzmaßnahmen über einen Zeitraum von zwei Monaten ergriffen werden, sinkt das BIP um 8,8 Prozent. 

In beiden Szenarien wird der private Konsum deutlich stärker schrumpfen als in vergangenen Rezessionen und sich mit der Aufhebung der Eindämmungsmaßnahmen nur allmählich beleben. Dies lässt die Importe erheblich sinken. Darüber hinaus geht aufgrund der stärkeren Konjunkturabschwünge in anderen europäischen Ländern vom Außenhandel ein negativer Wachstumsbeitrag aus. Trotz kräftiger Bautätigkeit wird die anhaltend schwache Inlands- und Auslandsnachfrage dazu führen, dass die Unternehmensinvestitionen stark sinken und im kommenden Jahr nur langsam wieder zulegen werden. Der Arbeitsmarkt wird sich bis Ende 2021 kaum vollständig erholen. Die Kapazitätsüberhänge werden dazu beitragen, dass die Inflation in nächster Zeit auf niedrigem Niveau verharrt.

Am 8. Juni 2020 hat das Statistische Bundesamt die April-Daten für die Produktion im Produzierenden Gewerbe veröffentlicht. Wie zu erwarten war, ging es deutlich bergab. Das vorläufige Ergebnis weist für das Verarbeitende Gewerbe gegenüber dem Vormonat saison- und kalenderbereinigt einen Rückgang der Produktion um 22,0 Prozent aus, nach zuvor minus 11,0 Prozent im März. Im Vorjahresvergleich (April 2019) brach die Industrieproduktion mit minus 31,2 Prozent regelrecht ein. Der bislang kräftigste Rückgang datierte auf den April 2009. Damals waren es „nur“ minus 24,1 Prozent. Im Baugewerbe nahmen die Aktivitäten im April gegenüber März leicht zu (plus 0,9 Prozent). Während das Bauhauptgewerbe im Vormonatsvergleich eine deutliche Produktionssteigerung (plus 3,7 Prozent) aufweisen konnte, meldete das Ausbaugewerbe Produktionseinbußen von 2,0 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr stagnierten die Aktivitäten im Bauhauptgewerbe (minus 0,2 Prozent) und gaben im Ausbaugewerbe mit minus 7,7 Prozent deutlich nach. Die Energieerzeugung ging im Vergleich zum Vorjahr um 15,2 Prozent zurück. In der Summe ergibt sich hieraus für das Produzierende Gewerbe ein Produktionsrückgang um minus 25,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Der April dürfte den Tiefpunkt des Konjunkturzyklus darstellen. Schließlich waren zu der Zeit die Einschränkung der gesellschaftlichen und der wirtschaftlichen Aktivität am stärksten. Mit der schrittweisen Lockerung der Schutzmaßnahmen und der Wiederaufnahme der Produktion in der Automobilindustrie dürfte im Mai die wirtschaftliche Erholung in der Industrie langsam einsetzen. 

Konjunktur in Europa

Im Vergleich zu Deutschland fallen die Szenario-Berechnungen der OECD für den Euroraum sowie für einzelne größere europäische Staaten deutlich trüber aus. Selbst wenn es gelingt, den Virusausbruch bis zum Sommer einzudämmen, dürfte das Bruttoinlandsprodukt des Euroraumes um 9,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgehen. Zwar wird mit einer konjunkturellen Erholung in der zweiten Jahreshälfte gerechnet. Die gesamtwirtschaftliche Produktion dürfte zum Jahresende 2021 immer noch drei Prozent unter dem Vorkrisenniveau liegen. Sollte es im Euroraum im weiteren Jahresverlauf zu einer zweiten Infektionswelle kommen, rechnet die OECD in ihrem Double-Hit-Szenario sogar mit einem BIP-Rückgang um 11,5 Prozent. Die wirtschaftliche Erholung wird sich dann um ein halbes Jahr verzögern. Die sinkende Wirtschaftsleistung, der Einsatz der automatischen Stabilisatoren und die kräftigen fiskalischen Impulse führen zu einem Anstieg der Staatsverschuldung. Vor allem in den südeuropäischen Ländern, die die stärksten BIP-Rückgänge zu verzeichnen haben, dürften die Schuldenquoten deutlich steigen. Da dies Zweifel an der Schuldentragfähigkeit einzelner Staaten mehren könnte, plädieren die OECD-Experten dafür, dass die EZB über einen längeren Zeitraum an ihrer sehr akkommodierenden Geldpolitik festhalten sollte, um den Erholungsprozess zu stützen.

Industrieproduktion in Europa

Nach Angaben von Eurostat ist die Produktion des Verarbeitenden Gewerbes im Euroraum im April im Vergleich zum Vorjahr um 29,7 Prozent zurückgegangen. Für den Zeitraum Januar bis April ergab sich ein Rückgang von 11,8 Prozent. Alle vier großen Euroländer verzeichneten dabei im April einen überdurchschnittlichen Produktionsrückgang, der in Italien mit minus 45,5 Prozent am stärksten ausfiel. In Frankreich und Spanien sank die Industrieproduktion um jeweils mehr als 37 Prozent. In Deutschland nur um etwas mehr als 32 Prozent. Auch im Vereinigten Königreich verbuchte die Industrie kräftige Produktionseinbußen, die aber nicht ganz so stark ausfielen wie auf dem Festland. Im Vergleich zu April 2019 sank hier die Produktion um 28,4 Prozent. Für den Zeitraum Januar bis April ergab sich ein Rückgang um 11,5 Prozent.