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Die G20: Zentrales Forum für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit

In einer immer stärker vernetzten Welt greifen nationale Alleingänge zu kurz. Die Kommuniqués der G20 sind völkerrechtlich nicht bindend. Nichtsdestotrotz hat die G20 als wichtiger Agenda-Setter gedient und dazu beigetragen, Vertrauen und Verständnis in der internationalen Gemeinschaft zu schaffen. Die geopolitische Instabilität hat die G20 jedoch vor erhebliche Herausforderungen gestellt, wenn es darum geht, gemeinsam zu handeln und die Schwierigkeiten der Zeit zu bewältigen.

Seit den 1980er Jahren ist die Rolle der Schwellenländer in der Weltwirtschaft kontinuierlich gewachsen. Als in den 1990er Jahren Finanz- und Währungskrisen in Lateinamerika, Russland und Asien ausbrachen, bedrohte dies auch die gesamte Weltwirtschaft. Die weltwirtschaftlichen Verwerfungen zeigten, dass finanzpolitische Herausforderungen nicht länger allein im Kreis der G7 zu bewältigen waren. So trafen sich 1999 in Berlin erstmals die Finanzminister und Zentralbankgouverneure der führenden Industrie- und Schwellenländer: Die G20 war geboren.

Chefsache: G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs

Als sich 2008 die US-amerikanische Subprime-Krise zu der größten globalen Finanz- und Wirtschaftskrise seit mehr als 80 Jahren ausweitete, wurde deutlich, wie notwendig ein solch hochrangiges Format war. Infolgedessen traten die Staats- und Regierungschefs der G20 erstmals zu einem Krisengipfel zusammen, um eine gemeinsame Krisenbewältigung abzustimmen. Sie waren sich einig: Die Krise war nur gemeinsam zu bewältigen. Dies war auch eine Lehre aus der Weltwirtschaftskrise von 1929, in der nationale Alleingänge zu Protektionismus, jahrelanger Depression, massiver Arbeitslosigkeit und Deflation geführt hatten.

Dass die Krise gemeistert werden konnte, ist maßgeblich der intensiven Zusammenarbeit in der G20 zu verdanken. Durch das koordinierte Vorgehen der G20-Staaten konnten die internationalen Finanzmärkte stabilisiert, der globale Handel weitestgehend aufrechterhalten und regulatorische Reformen initiiert werden. Dabei waren die abgestimmten nationalen Bankenrettungs- und Konjunkturprogramme und die Selbstverpflichtung der G20, von protektionistischen Maßnahmen abzusehen, einige der wichtigsten Schritte, um die Krise zu bewältigen.

Inklusives und nachhaltiges Wachstum

Grundmaxime der G20 ist das auf dem Pittsburgh-Gipfel 2009 verabschiedete Rahmenwerk für ein starkes, ausgeglichenes und nachhaltiges Wachstum. Demzufolge soll sich die G20 auf die Koordinierung von Fiskal-, Finanz- und Geldpolitik fokussieren sowie Strukturreformen, Außenhandel, Investitionen und nachhaltiges Wachstum fördern. Auf dem Pittsburgh-Gipfel 2009 wurde die G20 zum „zentralen Forum für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit“ berufen.

Die G20-Agenda wurde seitdem wiederholt erweitert und beinhaltet neben der wirtschafts- und finanzpolitischen Kernagenda inzwischen auch Themen wie Entwicklung, Internet Governance, Handel und Investition, Energie, Klima, Gesundheit und Migration. Zudem werden die Agenden der Gipfel auch von den Schwerpunkten einer jeden G20-Präsidentschaft geprägt. So wurde im Rahmen der deutschen G20-Präsidentschaft beispielsweise die G20-Partnerschaft mit Afrika begründet, um die Teilhabe an Wirtschaftswachstum und Beschäftigung besonders von jungen Menschen (vor allem auch in ländlichen Regionen) auf dem afrikanischen Kontinent zu verbessern.

Die G20 hat sowohl das nötige Gewicht als auch die notwendige Legitimität, um eine zentrale Rolle in der Ordnung der Weltwirtschaft zu spielen. Die Mitgliedsstaaten sind nicht nur für 89 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts und rund 60 Prozent der globalen Warenexporte und -importe verantwortlich, sondern stellen auch gut zwei Drittel der Weltbevölkerung.

Funktionsweise der G20

Die G20 verfügt über kein ständiges Sekretariat. Stattdessen ist die unter den Mitgliedsstaaten rotierende Präsidentschaft dafür verantwortlich, G20-Treffen zu organisieren und thematisch vorzubereiten. Als informelles Forum besitzt die G20 weder exekutive Kompetenzen, noch sind die getroffenen Vereinbarungen rechtlich bindend. Ob die G20-Beschlüsse umgesetzt werden, hängt von der Kooperationsbereitschaft ihrer Mitgliedsstaaten ab. Diese scheinbare Schwäche der G20 ist gleichzeitig auch eine ihrer großen Stärken. Nur dank des informellen Charakters hat die G20 die nötige Flexibilität, um effektiv Kompromisse zwischen Mitgliedsstaaten mit unterschiedlichen Interessen herbeizuführen.

Einmal im Jahr kommen die Staats- und Regierungschefs zusammen, um beim G20-Gipfel ihre Beschlüsse in die G20-Erklärung zu fassen. Zusätzlich zu den G20-Gipfeln finden mehrmals jährlich verschiedene Treffen von G20-Fachministern sowie von G20-Arbeits- und Studiengruppen auf Referentenebene statt.

Die G20 arbeitet zudem eng mit internationalen Institutionen sowie der Zivilgesellschaft zusammen. Die G20-Präsidentschaften werden von einem umfangreichen Engagement der Zivilgesellschaft flankiert. In acht Dialogforen – Business20, Civil20, Labour20, Science20, Think20, Urban20, Women20 und Youth20 – bringen sich Akteure der Gesellschaft aus allen Ländern der G20 aktiv in den G20-Prozess ein.

G20-Präsidentschaften ringen um rechtzeitige Antworten auf Herausforderungen

In den letzten Jahren stand die G20 aufgrund der geopolitischen Herausforderungen verstärkt unter dem Druck, zu einer Einigung zu finden. Die Gipfel-Kommuniqués und handelspolitischen Policy-Papiere in Japan (2019) und Saudi-Arabien (2020) blieben hinter den Ambitionen zurück, die sich die deutsche Wirtschaft gewünscht hätte. Insbesondere fehlte eine gemeinsame Haltung gegen Protektionismus und konkrete Reformvorschläge für die WTO-Reform. In beiden Jahren erfolgte die Unterstützung des Pariser-Abkommens aufgrund des Widerstands der damaligen Trump-Regierung nur auf 19+1-Basis.

Die italienische Präsidentschaft (2021) war ehrgeiziger. Zu den Höhepunkten ihrer Ministertreffen gehörten die Unterstützung der Finanzminister für eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent und für die Umverteilung von Gewinnen multilateraler Unternehmen sowie das außerordentliche Treffen zu Afghanistan, bei dem die Staats- und Regierungschefs einen Konsens über die Bedeutung der humanitären Hilfe und der Menschenrechte in dem Land erzielten und sich verpflichteten, sich auch für Frauen und Mädchen einzusetzen.

Die indonesische Präsidentschaft (2022) hat jedoch der multilateralen Zusammenarbeit innerhalb der G20 einen schweren Schlag versetzt. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges hatte die Präsidentschaft (angesichts der russischen Mitgliedschaft in der G20 und der ambivalenten Positionen Indiens und Chinas zu dem Krieg) offensichtlich Probleme mit der Prioritätensetzung und machte deutlich, wie schwierig es für die G20 ist, einen Konsens zu den wichtigsten geopolitischen Herausforderungen zu finden. Die G20-Dokumente (nicht gemeinsame Erklärungen) konzentrierten sich das ganze Jahr über weitgehend auf Finanzstabilität und Infrastrukturinitiativen, ohne jedoch die Schlüsselkrise zu erwähnen, die beide Bereiche erheblich beeinträchtigt. Auch zwischen den Task Forces und den bereichsübergreifenden Prioritäten herrschte weniger Kohärenz. So gehörte die globale Gesundheitsarchitektur zwar zu den drei „vorrangigen Themen“, aber es gab keine Task Force, die sich mit diesem Thema befasste.

Indien hat im Jahr 2023 den Vorsitz inne.