Koalitionsvertrag: Bewertung der verkehrspolitischen Aussagen

Das Bekenntnis für eine saubere und bezahlbare Mobilität als Grundlage für individuelle Freiheit, Wohlstand und Wachstum ist das Leitmotiv des Verkehrskapitels im Koalitionsvertrag. Damit setzt die Große Koalition wirtschaftlich und gesellschaftlich die richtigen Schwerpunkte. Fahrverbote und Quoten für bestimmte Technologien würden die individuelle Mobilität und Freiheit empfindlich einschränken und die technologische Innovationskraft im Mobilitätssektor behindern.

Positive Aspekte

  • Die Koalition will den Investitionshochlauf für die Verkehrsinfrastruktur auf heutigem Niveau fortführen sowie die Überjährigkeit der zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel dauerhaft sichern. Der Schwerpunkt der Investitionen wird bei Erhalt vor Neu- und Ausbau gesetzt. Die Realisierung der noch nicht fertiggestellten Öffentlich-Privaten Partnerschaften der 1. - 3. Staffel sagt die Große Koalition fest zu.

  • Der BDI unterstützt das geplante Planungs- und Baubeschleunigungsgesetz sowie die Orientierung an den zwölf Punkten des Strategiepapiers „Planungsbeschleunigung" des Bundesverkehrsministeriums. Positiv ist bei ausgewählten Projekten mit überragendem öffentlichem Interesse per Gesetz die Planungs- und Genehmigungsverfahren zu verkürzen und die Verwaltungsgerichtsverfahren auf eine Instanz zu beschränken.

  • Die Große Koalition sieht Klimaschutz im Verkehr im Spannungsverhältnis zwischen Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und einer bezahlbaren Mobilität. Dafür kündigt sie ein Bündel wichtiger Maßnahmen an, die allerdings weitgehend unter Finanzierungsvorbehalt stehen: So soll das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie fortgeführt und die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie technologieoffen weiterentwickelt werden.

  • Fahrverbote sollen vermieden werden, insbesondere durch weitere und verstetigte Unterstützung der Kommunen. Zugleich haben die Parteien aber die angekündigten Maßnahmen unter Finanzierungsvorbehalt gestellt. Das schließt auch den Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ und die Fortführung des Sofortprogramms „Saubere Luft 2017-2020“ ein.

  • Der BDI begrüßt die Ankündigung, Elektromobilität weiter fördern zu wollen. Die Koalition schließt dabei technologieoffen batterieelektrische sowie Wasserstoff- und Brennstoffzellenantriebe ein. Der dringend erforderliche Aufbau einer flächendeckenden Lade- und Tankinfrastruktur soll intensiviert werden. Mit dem Ziel, bis 2020 mindestens 100.000 Ladepunkte, davon ein Drittel Schnellladepunkte, für Elektrofahrzeuge zusätzlich verfügbar zu machen, setzt die Große Koalition einen wichtigen Schwerpunkt. Richtig ist auch der Ansatz, private Ladeinfrastruktur zu fördern. Die Finanzierung dieser Vorhaben ist noch unklar und sollte rasch geklärt werden.

  • Auch weitere finanzielle Anreize bei der pauschalen Dienstwagenbesteuerung und eine Sonder-AfA für gewerblich genutzte Elektrofahrzeuge können einen wichtigen Beitrag zur weiteren Förderung von Elektromobilität leisten.

  • Grundsätzlich richtig ist es, die bestehende Nationale Plattform Elektromobilität zu einer Plattform „Zukunft der Mobilität“ weiterzuentwickeln. Dabei kommt es aus Sicht der deutschen Industrie auf die Ausgestaltung in enger Abstimmung mit Partnern an.

  • Den Aufbau einer Batteriezellfertigung in Deutschland und Europa will die Politik unterstützen.

  • Grundsätzlich richtig ist der Ansatz, die Schiene mit einem „Schienen-Pakt“ zu stärken. Von den enthaltenen Maßnahmen ist allerdings nur die Realisierung eines deutschlandweiten 740-m-Netzes für Güterzüge bis 2020 fest verankert. Bedauerlich ist, dass ein umfassendes Förderpro-gramm zur Elektrifizierung von Strecken und zu Fahrzeugen mit Brennstoffzelltechnik nebst Lade-/ Tankinfrastruktur zwar angekündigt wird, aber unter Finanzierungsvorbehalt steht. Bis zum Jahr 2025 sollen zudem 70 Prozent des Schienennetzes in Deutschland elektrifiziert sein.

  • Die Parteien wollen die Chancen von digitalen Innovationen, wie automatisiertem und vernetztem Fahren, durch schnelles und mobiles Internet (5G) ermöglichen und sagen hierfür richtigerweise die Breitbandversorgung aller Verkehrsträger in den kommenden Jahren zu. Auch Experimentierklauseln bzw. Ausnahmeregelungen für das rechtssichere Testen von autonomen Fahrzeugen im öffentlichen Raum und die rechtlichen Voraussetzungen für vollautonome Fahrzeuge sind richtige Ansätze.

  • Zu begrüßen ist die Absicht, faire Rahmenbedingungen im Einklang mit europäischen und internationalen Regelungen für die Luftverkehrswirtschaft, beispielsweise durch Umsetzung des Luftverkehrskonzepts und die Entlastung der Flughäfen und Luftfahrtunternehmen von einseitigen nationalen Kosten, schaffen zu wollen.

  • Positiv ist auch, dass der Staat Anteile der Luftsicherheitskosten übernehmen soll sowie der Vorsatz, einheitlichere und effizientere Organisation, Aufgabenwahrnehmung und -verteilung für die Luftsicherheit zu gestalten. So wird sich auch für die bedarfsgerechte Kapazitätserweiterung der Flughäfen ausgesprochen.

  • Die Institutionalisierung einer industriepolitischen Zusammenarbeit von Bund, Ländern, Luftfahrt und Gewerkschaften ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung von Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit des Luftfahrtstandorts Deutschland

  • Dringend notwendig ist die Bereitstellung finanzieller Mittel zur Verbesserung der Erforschung und Erprobung alternativer Treibstoffe im Luftverkehr sowie Erhöhung der Mittel der hierfür zentralen Forschungsprogramme auf nationaler Ebene und insbesondere des Luftfahrtforschungsprogramms.

  • Erfreulich ist, dass eine Optimierung des Erhebungs- und Erstattungsverfahrens der Einfuhrumsatzsteuer für Industrie- und Handelsunternehmen sowie für die deutschen Flug- und Seehäfen vorgenommen wird.

  • Die Große Koalition will die Mobilitätsforschung im Bundesverkehrsministerium bündeln und künftig verstärkt klima-, gesellschafts- und sozialwissenschaftliche Aspekte betrachten. Richtig sind auch angekündigte Forschungsvorhaben, z. B. ein deutsches Zentrum für Schienenverkehrsforschung und ein eigenständiges Forschungsprogramm für den Schienenverkehr, deren Finanzierung rasch geklärt werden sollte.

Negative Aspekte

  • Eine Vielzahl der Maßnahmen mit zusätzlichem Finanzmittelbedarf steht unter einem Finanzierungsvorbehalt, etwa prioritäre Projekte des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) 2030 und die Umsetzung des Masterplans Schienengüterverkehr.
  • Kritisch zu sehen ist die Einbindung der Gewerkschaften und Personalräte beim Aufbau der Infrastrukturgesellschaft Verkehr, da die erforderliche Strukturreform bei der Planung und Auftragsvergabe unnötig in die Länge gezogen werden könnte.
  • Die Mobilitätspolitik soll neben dem Pariser Klimaschutzabkommen auf dem „Klimaschutzplan 2050“ verpflichtet sein, damit auch dem im Klimaschutzplan 2050 vereinbarten Sektorziel Verkehr für 2030. Dieses hat der BDI als willkürlich, unzureichend analysiert. Im Klimaschutzplan 2050 hat die Politik deshalb zu Recht eine Folgenabschätzung für 2018 vorgesehen. Für diesen Revisionsprozess hat der BDI im Januar 2018 eine umfassende Studie „Klimapfade für Deutschland“ mit realistischen Technologiepfaden auch für den Sektor Verkehr vorgelegt.
  • Die Schadstoffemissionen aus dem Straßenverkehr sollen weiter an der Quelle reduziert werden. Dafür ziehen die Parteien auch technische Verbesserungen von Bestandsfahrzeugen in Betracht. Über weitere Schritte will die Koalition noch in diesem Jahr unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse – insbesondere der Expertengruppen des Nationalen Forums Diesel über Hardware-Nachrüstungsvarianten sowie aller rechtlichen Fragen zur Zulassung und Kosten-tragung – entscheiden. Damit wird die vom BDI kritisierte Hardware-Nachrüstung von Euro-5-Dieselfahrzeugen noch einer genaueren Prüfung unterzogen.
  • Aufgrund des dringenden Handlungsbedarfs ist kritisch zu sehen, dass viele Maßnahmen mit finanziellen Auswirkungen nur Willensbekundungen sind, so etwa die Abschaffung Binnenschifffahrtsgebühren, die Umsetzung des Nationalen Hafenkonzepts sowie die Entlastung der Luftverkehrswirtschaft von einseitigen nationalen Kosten, Bedauerlicherweise fehlt diesbezüglich auch der (schrittweise) Abbau der wettbewerbsverzerrenden Luftverkehrsteuer.