China in der Welthandelsorganisation
China hat seit seinem WTO-Beitritt viele seiner Beitrittsverpflichtungen abgearbeitet, konnte die eigene Wirtschaftskraft erheblich ausbauen und ist zum Exportweltmeister für Waren aufgestiegen. Davon haben gerade deutsche Unternehmen und Verbraucher stark profitiert.
Schleppende Umsetzung der WTO-Regeln
Aufgrund der Beitrittsregelungen ist China seit Ende des Jahres 2016 in der WTO als Marktwirtschaft zu behandeln. Dennoch wurde die weitverbreitete Erwartung, dass sich das Land tatsächlich in eine offene und hauptsächlich marktbasierte Volkswirtschaft entwickelt, nicht erfüllt. Die chinesische Regierung versteht es, die Spielräume der WTO-Regeln für sich zu nutzen und tut oft nur das Minimum, um Verpflichtungen nachzukommen (etwa bei der Meldung handelspolitischer Maßnahmen wie neuer Subventionen) oder um Verhandlungen voranzubringen. So hat das Land auch noch kein akzeptables Angebot für den Beitritt zum Government Procurement Agreement (GPA) vorgelegt, obwohl es dies bereits mit der Aufnahme in die WTO vor rund 19 Jahren zugesagt hatte. Außerdem nimmt der Staat, anders als zugesagt, übermäßig Einfluss auf die Wirtschaftsaktivitäten – und das inzwischen wieder im zunehmenden Maße (z.B. Preiskontrollen, Beihilfen, Justizbeeinflussung und Management von Marktätigkeiten von Staatsunternehmen und von Marktanteilen).
99 der 100 größten börsennotierten Unternehmen in China sind mehrheitlich in Staatshand. Viele WTO-Mitglieder setzen regelmäßig auf handelspolitische Schutzinstrumente, um den eigenen Markt mit Hilfe von Zöllen und Mengenbegrenzungen vor Dumping oder unfair subventionierten Waren aus China zu schützen. Bis August 2021 wurde China bereits 47 Mal vor der Streitschlichtung der WTO „verklagt“. Die Zahl der Anklagen ist nur bei der EU und den USA höher. Dabei ist positiv anzumerken, dass die chinesische Regierung bei der Umsetzung von Schiedssprüchen als regeltreu gilt.
China: Stütze des Multilateralismus?
In der öffentlichen Debatte über die Modernisierung der WTO präsentiert sich China gerne als Stütze des Multilateralismus und Land der Öffnungspolitik. Dabei schiebt die Regierung die Verantwortung für die derzeitige WTO-Krise einseitig auf die USA. Tatsächlich wurde die Position Chinas im September durch eine WTO-Entscheidung gestärkt. Ein Expertengremium beurteilte die Strafzölle der USA als einen Verstoß gegen die WTO-Regeln. Doch auch dies kann nicht von grundsätzlichen Problemen ablenken: China gilt zum einen in der WTO als Entwicklungsland, womit viele Ausnahmen von den WTO-Regeln verbunden sind. Peking weist die Forderung, diesen Status aufzugeben, vehement zurück.
Dieser undifferenzierte Status erscheint aber immer weniger gerechtfertigt für ein Land, das ein Militärbudget von offiziell rund 180 Milliarden US-Dollar unterhält, im Rahmen der Belt-and-Road-Initiative global 1 Billion US-Dollar in Infrastrukturprojekte investieren möchte und im Zuge des industriepolitischen Plans “Made in China 2025” weltweit in Technologieunternehmen investiert beziehungsweise im eigenen Land Schlüsselindustrien im dreistelligen Milliardenbereich subventioniert. Zum anderen lehnt das Land auch Vorschläge für mehr Transparenz (etwa Sanktionierung bei Verletzung von Notifikationspflichten) oder auch klare Regeln für den Umgang mit Staatsunternehmen in der WTO ab.
Tatsächlich hat China in seiner WTO-Reforminitiative vom Mai 2019 vorgeschlagen, das Spektrum anerkannter Subventionen für Staatsunternehmen auszuweiten und Staatsunternehmen als gleichberechtigte Marktteilnehmer anzuerkennen. Hinsichtlich der Subventionsthematik lenkt Peking auch die Aufmerksamkeit auf den Landwirtschaftsbereich und fordert dort eine stärkere Öffnung der Märkte der Industrieländer. Doch das Hauptproblem in China sind Subventionen im Industriebereich. Selbst in Bereichen wie der Chemie, wo chinesische Unternehmen bereits zu den Weltmarktführern gehören, lehnt China die Beteiligung an Zollsenkungsinitiativen ab.
Forderungen des BDI
Der BDI hat in seinem China-Grundsatzpapier vom Januar 2019 verdeutlicht, wie weit die Wettbewerbsbedingungen und der Marktzugang in China von der starken Rolle des Staates in der chinesischen Wirtschaft eingeschränkt werden. Die Regierung sollte den Anteil der Staatsunternehmen in China deutlich zurückfahren, Subventionen im Industriebereich abbauen und eine Bevorzugung von Staatsunternehmen beispielsweise bei Ausschreibungen, beenden. China ist einer der am stärksten abgeschotteten Märkte für Anbieter von internet-basierten Plattformen; der digitale Protektionismus durch Lokalisierungszwänge sollte gebrochen werden. Die deutsche Industrie setzt sich für eine verbindliche Marktöffnung, zum Beispiel über die Abschaffung des Joint-Venture-Zwangs, die deutliche Reduzierung der Negativliste für ausländische Investitionen und den Beitritt zum GPA, ein. Wir erwarten klare und überzeugende Verhandlungsangebote Chinas in den Verhandlungen für ein EU-China-Investitionsabkommen, sowohl im Investitionsschutz wie auch beim Marktzugang für Investoren.
Mit Blick auf die WTO steht der BDI hinter dem breiten und inklusiven Modernisierungsansatz, den die EU vertritt. Alle Bereiche der WTO müssen reformiert werden, damit die Organisation weiter der zentrale Ort für die Schaffung und Durchsetzung von Handelsregeln bleiben kann. Der BDI unterstützt beispielsweise den Vorschlag der trilateralen Initiative (EU, Japan, USA), die staatliche Subventionierung von Industriegütern und deren Exporte präziser und genauer zu regeln. Von China verlangt der BDI in dem Prozess eine konstruktive und verantwortungsbewusste Rolle, die sich in konkreten Schritten manifestiert. China ist inzwischen zu einer dominanten Handelsmacht und zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt hinter den USA herangewachsen. Das Land darf sich nicht länger hinter dem undefinierten Entwicklungslandstatus verstecken und einen ähnlichen Sonderstatus verlangen wie Länder mit deutlich niedrigerem Entwicklungsstand und Pro-Kopf-Einkommen. Andernfalls könnten wichtige Mitglieder ihr Engagement in der WTO weiter zurückfahren und der Multilateralismus nachhaltig geschwächt werden. Dies wäre am Ende weder im Interesse Europas noch Chinas.